Alchemistenmuseum - derzeit geschlossen!

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Museum wegen Umgestaltung bis auf weiteres geschlossen!

Alchemisten und Probierer in Kirchberg „ob Wien".

In einem Nebenraum der zum Schloss Oberstockstall gehörenden Kapelle wurde im Jahre 1980 durch Zufall das Inventar eines alchemisch - metallurgischen Laboratoriums aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts entdeckt. Dieser Fund ist eine chemie- und kultur­geschichtliche Sensation. Umfang und Geschlossenheit des Fundkomplexes bieten die einma­lige Gelegenheit, ein durch Realien abgesichertes Bild der Tätigkeit eines Renaissance Alchemikers zu erhalten, wie sie z.B. bei Agricola, Ercker oder Libavius beschrieben wird.

Was nach der Zusammensetzung des Laborinventars geschlossen werden konnte, wird durch die laufenden archäometrichen Untersu­chungen bestätigt, nämlich, dass nach den verschiedenen damals bekannten Methoden versucht wurde, Gold „zu machen" bzw. zu gewinnen, das heißt in diesem Fall mit Hilfe z.B. der Kupellation, der Zementation, des Amalgamationsverfahrens, und dass an der Opti­mierung dieser Verfahren gearbeitet und auch auf dem Gebiet der Destillationsverfahren geforscht wurde. Dass auch Transmutationen versucht wurden, ist anzunehmen, lässt sich aber an dem archäologischen Material allein nicht ablesen.

Im Alchemistenlaboratorium aus dem 16. Jahrhundert:

Mit seinen über 1000 Objekten ist der Fundkomplex von Oberstockstall, ausgegraben 1980, das umfangreichste Inventar dieser Art. Wie die ar­chäologischen Befunde zeigen, handelt es sich um einen "geschlos­senen Fund": Das heißt, alle Objekte sind zur gleichen Zeit an dieser Stelle (in einer großen Grube) deponiert worden. Der Fundkomplex enthält das volle Spektrum der Geräte, die in diesem Laboratorium in Verwendung standen, und nicht Laborabfalle, die suk­zessive entsorgt wurden. Die chemischen Rückstände und die Spuren der Benutzung, die an allen Objekten erhalten geblieben sind, machen dieses Inventar auch für die (al)chemiehistorische Forschung besonders wertvoll. Das Inventar bietet Einblick in einen Arbeitstag in diesem Labo­ratorium, man kann einem Renaissance – Alchemiker sozusagen „über die Schulter schauen".

Wenn man zum Vergleich die zeitgenössische Fachliteratur oder die Verzeichnisse aus historisch – archivarisch belegten Laboratorien heranzieht, muss dieses Laboratorium hervorragend ausgestattet gewesen sein.
Die Labor- und sonstigen technischen Geräte sind hauptsächlich aus Keramik und Glas, aber auch aus Metall und anderen Materialien. An keramischen Geräten gibt es unter anderem Alembiks, Glockenhelme, Aludeln, Retorten, Cucurbiten, Blasen und Schmelzgefäße, Muffeln und verschiedenes Zubehör zu den Laboratoriumsöfen, wozu auch zwei Blattkacheln mit alchemistischen Motiven gehören. An Glasgeräten gibt es Alembiks, Schalen, Destillierkolben und Phiolen, Deckel und Flaschen, aus Metall Kol­ben, Schaber, Unterlagsplatten und Folien, Drähte, ein Sieb, Röhren, eine Buchschlie­ße. Besonders umfangreich ist das schmelztechnische Inventar wie Schmelztiegel. (über 300), Probierscherben, Kupellen und Aschkupellen (an die 100). Dazu kommen Mineralien und Erzproben, die allesamt Edelmetall führend sind.

Nichts an diesem Inventar ist zufällig. Viele der Geräte passen in ihren Maßen zusammen und können zu Destillations- und Sublimationsapparaturen zusam­mengesetzt werden. Bemerkenswert ist, dass Gerätschaften, die gleichen Verfahren zugeordnet werden können, durchaus aus verschiedenen Materialien hergestellt sind und dass auch bei gleichen Formen die Oberflächen in unterschiedlicher Weise behandelt wurden. Das zeigt, dass die Problematik der Kontaktoberflächen bei chemischen Prozessen bekannt gewesen ist. So gibt es zum Beispiel Destillierkolben aus Keramik mit geglätteter In­nenoberfläche, aus Glas, aus Eisen, Kolben und Retorten mit stark geriefter und damit vergrößerter Innenoberfläche, dazu beschichtet mit feinem Quarzmehl. Auch um Lichtschutz hat man also gewusst: Die Flaschen aus olivfarbenem bis braunem Glas dürften zur Aufbewahrung von organischen Stoffen, wie Essenzen, Extrakten und Composita verschiedener Art, verwendet worden sein. Zieht man in Betracht, dass sowohl die Cucurbiten und Retorten, als auch die Probier­scherben, die Kupellen und die Schmelztiegel mehrfach benutzt werden konnten, und wenn dazu noch die etwa 100 vorhandenen Aschkupellen gerechnet werden, hat es sich hier um ein Großlabor gehandelt. Die Annahme von mindestens zwei großen Destillieröfen, in der Art des Faulen Heintzen oder Henricus piger, ist sicher gerecht­fertigt. Diese Rückstände geben auch Aufschluss über die Aufgaben dieses Laboratoriums: Es war nach dem Stand der bisherigen Forschungen und im Vergleich mit der zeitgenös­sischen Fachliteratur zum Berg- und Hüttenwesen, zur Probierkunst und zur Kunst der Destillation ein High-Tech-Labor des 16. Jahrhunderts. Nachweisbar sind alle damals gängigen chemischen Verfahren wie Destillation, Sublimation, Deszension, Kupella­tion, verbleiendes Schmelzen, Scheiden im Guß, Scheiden durch die Quart, Zementa­tion, Amalgamationsverfahren. Die gleichen Verfahren wurden auch bei der Erzeu­gung von Arzneimitteln und chemiatrischen Präparaten angewendet.

Das Laboratorium von Oberstockstall dürfte auch ein Forschungslaboratorium ge­wesen sein. Die Destillier- und Sublimierhelme verschiedener Formen, aus unter­schiedlichen Materialien (Keramik und Glas), mit verschiedenen Oberflächen (gla­siert, grün oder braun, unglasiert, mit geglätteter, stark geriefter und rauer Ober­fläche), zeigen, dass hier auf diesem Gebiet geforscht wurde.

Es war ein Probierlaboratorium zur Untersuchung von Metall-Legierungen und Münz­metall und Erzproben, möglicherweise wurden auch Auftragsarbeiten durchgeführt. Wie die archäometrischen Untersuchungen zeigen, scheint hier an der Optimierung von Verfahren gearbeitet worden zu sein. Dass in diesem Laboratorium auch nach dem Elixier oder nach dem Stein der Weisen gesucht wurde und auch alchemistische Transmutationen versucht wurden, das heißt, die Umwandlung unedler in edle Stoffe, und das vornehmlich von Quecksilber und Blei in Silber und Gold, lässt sich am archäologischen Material und an den chemischen Rückständen nicht ablesen, darf aber wohl angenommen werden. Nach dem Materie­verständnis des 16. Jahrhunderts, dem die „Vier – Elemente – Lehre“ des Aristoteles zu Grunde lag, waren Transmutationen denkbar, wenn auch mit den damals zur Verfü­gung stehenden Methoden nicht machbar. Das Gold und das Silber, das in den Schmelztiegeln und Aschkupellen von Oberstockstall vorhanden ist, wurde auf solider metallurgischer Basis gewonnen.

Der Fundort

Fundort ist das Schloss Oberstockstall, Kirchberg am Wagram, in Niederösterreich, nördlich der Donau, ca. 50 km westlich von Wien. Die Entdeckung dieses Fundkomplexes ist dem Eigentümer von Schloss Oberstockstall, Fritz Salomon, und dessen damals 10jährigem Sohn zu verdanken. Der war wieder ein­mal in dem alten Gemäuer auf Schatzsuche gegangen und hatte entdeckt, dass sich in der so genannten Sakristei, einem von der Schlosskapelle aus zugänglichen Raum, ei­nige Fußbodenziegel gesenkt hatten. Nach deren Entfernung stieß er auf einen Hohlraum, angefüllt mit Keramik- und Glasbruchstücken, teilweise auch ganzen Ge­fäßen, mit Holzkohle, Erdmaterial und Ziegel- und Bauschutt. Die Kapelle im gotischen Stil wurde 1310 - 1320 erbaut, der anschließende Gebäudekom­plex, das ehemalige Repräsentationsgebäude, nach 1327. Dort hinein wurden die "Sa­kristei" und der darüber liegende Raum gebaut, zugänglich über eine gemauerte Treppe. Beide Räume bilden eine Einheit, die im Zuge des urkundlich belegten Umbaus von 1548 errichtet wurden und die als Laboratorium konzipiert waren. Die Mächtig­keit der Mauern und die Kompaktheit des noch erhaltenen Gewölbes deuten darauf, dass hier explosions- und feuersichere Räumlichkeiten für einen besonderen Zweck geschaffen wurden. Ein Türstock im oberen Raum konnte per Jahrring-Analyse auf 1549 datiert werden.

Historischer Hintergrund

Heute erscheint Oberstockstall etwas abgelegen, und es stellt sich die Frage, warum es gerade hier ein derart großes und hervorragend ausgerüstetes Laboratorium gegeben hat. Ganz so unbedeutend war Oberstockstall im 16. Jahrhundert nicht. Die Urpfarre St. Stephan ob Wachrain (Kirchberg) gehörte dem Domkapitel Passau und Schloss Oberstockstall war der Pfarrhof zu Kirchberg am Wagram. Es war Sitz der meist adli­gen Domherren aus Passau und außerdem Sitz der Grundherrschaft des Domkapitels, das im Wagramland umfangreiche Besitzungen hatte. Mit dem Amt des Pfarrherrn in Kirchberg war auch das Amt des Oberkellerers des Bistums Passau in Österreich ver­bunden. Im 16. Jahrhundert sind die bedeutendsten Pfarrherren von Kirchberg die Herren von Trenbach. Christoph von Trenbach hatte die Pfarre von 1538 bis zu seinem frü­hen Tod 1552 inne. Auch als Domprobst blieb er weiter in Kirchberg. Er starb unter etwas mysteriösen Umständen in seinem Pfarrhof Oberstockstall, angeblich an der Pest, aber wahrscheinlicher an einem Arzneimittel dagegen. Er hinterließ beträchtliche Schulden in der Höhe von 22.000 Gulden, davon allein 4.000 fl. bei dem Kremser Apotheker und Arzt Dr. Wolfgang KappIer, "in Alchemistenkreisen kein Unbekannter". Bislang fehlen alle historischen Hinweise auf das Laboratorium in Oberstockstall, bis auf eine Nennung an einer zunächst etwas abgelegen scheinenden Stelle, die jedoch beweist, dass es sehr bekannt gewesen sein muss. Der kleine alchemistische Betrüger Michael Polhaimer, der aus Braunau am Inn stammte, sagte 1595 bei seinem Verhör in Weikersheim an der Tauber aus, dass er in "Kirchberg, 7 meil ober Wien" bei dem Domherrn Sigmund Friedrich Fugger ein dreiviertel Jahr "gekunstelt" habe. Offen blieb bisher, warum das Inventar „entsorgt" wurde. Die große Anzahl von Schmelztiegeln und Aschkupellen deutet auf eine Katastrophe. Sie wurden nach zeitgenössischen Zeugnissen normalerweise wieder aufbereitet, um das infundierte Edelmetall zurück zu gewinnen und auch das bei der Kupellation von den Aschkupellen aufgenommene Bleioxid.

Damit käme für den Zeitpunkt der Deponierung des Laboratoriumsinventars unter Umständen das Neulengbacher Beben vom September 1590 in Betracht, mit einer Bebenstärke von 8 bis 9 nach Mercalli-Sieberg im 25 km entfernten Epizentrum, oder sie hängt mit dem Tode des Viktor August Fugger 1586 zusammen. Die Deponierung des Inventars bedeutet aber keineswegs die Auflassung des Laboratoriums.

Das Alchemistenmuseum befindet sich in Kirchberg am Marktplatz im „Alten Rathaus“.

Öffnungszeiten:

Museum wegen Umgestaltung bis auf weiteres geschlossen!

Samstags von 14 – 17 Uhr oder nach Voranmeldung:
Tel.: +43 2279 2332
Tel.: +43 2279 29763 Dr. Sigrid von Osten
Fundstelle Schloss Oberstockstall täglich

Kontaktinformationen

Weiterführende Informationen:
https://www.kirchberg-wagram.at/tourismus/alche...